TFA überwacht einen Hund in Narkose bei der Strahlentherapie

Wie funktioniert Strahlentherapie bei Tieren?

von Dr. Jan Kuntz und Team // 05.03.2024

Die Strahlentherapie ist bei unseren Haus- und Heimtieren noch eine vergleichsweise selten angewandte Therapie. Die Strahlen sind nicht sichtbar und das Grundprinzip dieser Therapie ist dementsprechend schwer vorstellbar. Wir klären hier die wichtigsten Fragen zu Wirkung, Technik und Ablauf. Diese Informationen können jedoch ein persönliches Gespräch im konkreten Fall nicht ersetzen. Bei Fragen können Sie sich gerne an uns wenden.

Welche Indikationen gibt es für die Strahlentherapie?

Hund sitzt bei Frau in StallgassePlus
Hund springt über einen GrabenPlus
Neben der Behandlung von Krebs wird die Strahlentherapie auch erfolgreich zur Schmerzlinderung eingesetzt. Man spricht hier auch von Strahlentherapie bei gutartigen Erkrankungen. Dazu gehören zum Beispiel degenerative Gelenkerkrankungen, chronisch-entzündliche Prozesse in den Gelenken oder Arthrose. Solche Schmerzen entstehen zum Beispiel beim Hund langfristig durch Ellbogengelenksdysplasie, Hüftgelenksdysplasie, durch Übergewicht, aber auch als normale Abnutzungserscheinung bei älteren Tieren.

Wie wirkt die Strahlen­therapie?

Physikalisch beruht die Strahlentherapie auf der Anwendung ionisierender Strahlung. Die Strahlung muss also genügend Energie haben, um einzelne Elektronen aus einem Atom oder Molekül herausschlagen zu können. In unserem Fall handelt es sich entweder um hochenergetische Elektronen oder um ultraharte Röntgenstrahlung.
Die Ionisationen in der Zelle führen zu Schäden an der DNA, dem Bauplan der Zelle. Sind die Schäden so groß, dass sie nicht mehr repariert werden können, geht die Zelle zugrunde und das Ziel der Strahlentherapie ist erreicht. Zellen und Gewebe verbrennen bei der Bestrahlung nicht, sie erwärmen sich nicht einmal. Die Gesamtenergie ist so gering, dass eine Erwärmung nicht messbar ist. Die Strahlentherapie selbst ist daher nicht schmerzhaft, es gibt keine Sinneswahrnehmung für ionisierende Strahlung. Die Nebenwirkungen können jedoch, ähnlich wie bei einem Sonnenbrand, vorübergehend Schmerzen verursachen. Die Strahlentherapie ist nicht zu verwechseln mit der Anwendung von Lasern oder sichtbarem Licht. Auch die photodynamische Therapie (PDT) beruht auf einem völlig anderen Prinzip. Der Patient wird bei der Bestrahlung nicht selbst radioaktiv, so dass nach der Behandlung keine zusätzliche Gefahr von ihm ausgeht.
Wichtig zu wissen: Nach der Strahlentherapie ist der Patient nicht radioaktiv. Die Strahlentherapie stellt daher für den Tierhalter keine Gefahrenquelle im Umgang mit dem Tier dar. Insbesondere beim Umgang mit Kindern sollten die Tiere jedoch bis zum vollständigen Abklingen der Narkose beobachtet werden. PlusPlus
Katze wird untersucht

Strahlen­therapie: High­tech für höchste Präzision!

Die ionisierende Strahlung wird bei Equinox Healthcare mit einem Linearbeschleuniger erzeugt. Dieses Bestrahlungsgerät aus der Humanmedizin beschleunigt Elektronen so stark, dass sie fast Lichtgeschwindigkeit erreichen. Diese hochenergetischen Elektronen können nun direkt für die Strahlentherapie eingesetzt werden, zum Beispiel bei vielen Hauttumoren des Pferdes. Werden die Elektronen innerhalb des Beschleunigers in einer Metallplatte, dem Target, wieder abgebremst, entsteht Bremsstrahlung, also ultraharte Röntgenstrahlung. Diese ist physikalisch vergleichbar mit der Strahlung aus einer diagnostischen Röntgenröhre, nur dass die Energie etwa hundertmal höher ist. Die Röntgenröhre müsste also mit sechs Millionen Volt betrieben werden. Diese Röntgenphotonen dringen tief in das Gewebe ein und werden deshalb zur Bestrahlung von innenliegenden Tumoren eingesetzt, zum Beispiel in der Nase, im Gehirn oder im Brustkorb. Die millimetergenaue Bestrahlung mit einem riesigen Bestrahlungsgerät erfordert viel Planung und moderne Technik. Bei der Bestrahlung mit Elektronen werden häufig einzelne Blenden aus einem Schwermetall gegossen, um das Bestrahlungsfeld einzugrenzen.
MLC eines LinearbeschleunigersPlus

Computer­tomo­graphie und Patienten­lagerung

Die Leistungsfähigkeit eines modernen Bestrahlungsgerätes kann nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn der Patient exakt und reproduzierbar gelagert wird. Zu diesem Zweck werden für jeden Patienten individuelle Lagerungshilfen angefertigt. Bei Equinox Healthcare setzen wir unter anderem Vakuummatratzen, also formstabile Kissen, und Gebissabdrücke zur Lagerung ein. Viele Hilfsmittel gibt es nicht zu kaufen. Wir lassen sie entweder passgenau anfertigen oder bauen sie selbst in unserer Werkstatt.
Die Lagerungshilfen fertigen wir für jeden Patienten ganz am Anfang an, noch bevor die Computertomographie zur Bestrahlungsplanung durchgeführt wird. Damit am Ende alles zusammenpasst, hat unser Computertomograph die gleiche Patientenliege wie das Bestrahlungsgerät. So können die Lagerungshilfen einfach und passgenau an beiden Systemen befestigt werden.
Die patientenindividuellen Lagerungsmaterialien, seien es Vakuummatratzen, Gebissabdrücke, Blenden oder Zusatzkonstruktionen, bleiben unverändert, solange der Patient strahlentherapeutisch behandelt wird. PlusPlus
Beißkeil zur Positionierung von Strahlentherapiepatienten

Bestrahl­ungs­planung

Konturierte Nasenhöhle einer KatzePlus

Bio­logische Strahlen­wirkung

DNA mit Strangbrüchen durch die StrahlentherapiePlus
Ionisierende Strahlung verursacht Schäden in den bestrahlten Zellen. Ionisierungsprozesse finden zwar überall in der Zelle statt, biologisch relevant sind sie aber nur im Bereich der DNA, die für die Zellteilung wichtig ist. Die Struktur der DNA kann gestört werden, Stränge können brechen oder die DNA lagert sich an andere Strukturen an. In vielen Fällen können diese Schäden repariert werden, nur wenige führen tatsächlich zum Zelltod. Genau diese Eigenschaft machen wir uns in der Strahlentherapie zunutze. Denn die Reparaturfähigkeit ist bei gesunden Zellen viel besser ausgeprägt als bei Tumorzellen. Deshalb teilen wir die Gesamtdosis in kleine Portionen, so genannte Fraktionen, auf, die wir im Abstand von ein bis sieben Tagen einstrahlen. In der Zeit zwischen den Fraktionen können sich die gesunden Zellen reparieren, während die Tumorzellen Schäden akkumulieren. Für die geschädigten Tumorzellen werden die Defekte in der DNA bei einer der nächsten Zellteilungen zum Problem und sie gehen in den strukturierten Zelltod. Die Zellen platzen also nicht einfach, sondern werden von körpereigenen Funktionen recycelt.

Wie schnell ein Tumor auf die Strahlentherapie anspricht, ist abhängig von den Ursprungszellen, aus denen er entstanden ist. Manche Tumoren schrumpfen bereits unter der Bestrahlung deutlich, andere brauchen mehrere Monate, bis sie ansprechen. Palliative Bestrahlungen zielen zum Teil darauf ab, das weitere Wachstum des Tumors zu stoppen oder zu verlangsamen und die Schmerzen zu lindern. Das geeignete Bestrahlungsprotokoll hängt im Wesentlichen von der Indikation, also vom Tumor selbst ab. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen definitiven und palliativen Protokollen.

Definitive Protokolle

zielen auf eine bestmögliche Tumorkontrolle über einen möglichst langen Zeitraum ab. Sie haben relativ viele Fraktionen mit moderater Einzeldosis.

Palliative Protokolle

hingegen sollen die Lebensqualität des Patienten verbessern, ohne ihn länger zu belasten. Hier werden in der Regel wenige Fraktionen mit hoher Einzeldosis eingesetzt.

Wo immer möglich, stützen wir uns bei der Auswahl der Protokolle auf wissenschaftliche Studien. Allerdings gibt es in der Veterinärmedizin nicht für jeden Tumor bei jeder Tierart eine adäquate Publikation. Insbesondere beim Pferd fehlen für die meisten Tumoren noch große Studien. In diesen Fällen greifen wir auf Erkenntnisse von anderen Tierarten, aus der Humanmedizin und auf unsere Erfahrungswerte zurück. Die Therapiemöglichkeiten und das anzuwendende Protokoll müssen in diesen Fällen individuell besprochen werden. Auch die Frage, ob ein palliatives oder definitives Protokoll gewählt wird, ist eine individuelle Entscheidung. Eine Anpassung der Therapie an das individuelle Ansprechen des Tumors ist jedoch nicht möglich. Kleine Tumoren benötigen nicht zwangsläufig weniger Fraktionen als große Tumoren. Vielmehr wird die adjuvante Strahlentherapie nach makroskopisch vollständiger Tumorentfernung häufig in sehr vielen Fraktionen durchgeführt, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Equinox

Equinox Healthcare GmbH
Strahlentherapiezentrum für Pferde und Kleintiere
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